AUS DEM ROMAN PASSIONSTAGE
Zweites Buch: Karwochen- und Ostertage

Mensch am Kreuz, ich wohne ja immer noch in meinem Palast, wenn auch wie eine Maus, und gejagt von zwei Katzen. Main Haus wird mir zur Hölle. Warum setze ich mich nicht ins Irrenhaus? Die Hölle wird immer heißer. Jeden Tag. Auch „heute“, an diesem Karmontag.
Am Kardienstag fahre ich dann mit Taiko nach Konstanz. Die Konstanzer Gassen sind so lustig. Ganz anders als die Gassen in der Schweiz. Bewegter. Taiko hatte sich etwas zuviel Rouge auf ihre asiatischen Wangen geschmiert, die deshalb besonders herausstanden und glänzten. Wir hatten uns auf der Lorenbergstraße getroffen. Ich war eben von Lisa weggefahren, der ich meine Unentschlossenheit darüber darlegte, was ich heute machen wolle. Sie schöpfte Verdacht, dass ich mit Taiko nach Konstanz fahren könnte. Ich hatte den Wagen hinter ihrem Haus geparkt, weil ich mich vor ihrem Haus von Taiko beobachtet fühle, die neuerdings ebenfalls Erkundigungsfährtchen macht.
Himmel, Mensch am Kreuz, bist du schon oben? Noch nicht? Am liebsten möchte ich über Ostern neben dich genagelt werden. Da könnten die beiden Weiber dann aufkreuzen. Warum denn aufkreuzen? Beide würden vom Bodensee auf den Lorenberg zurückeilen, um am Pfahl meines Kreuzes zu heulen. Lisa wäre wütend:
„Noch zuletzt hat er mich betrogen, indem er sich auf dem Lorenberg kreuzigen ließ, wo die Japse wohnt!“

Lisa

Lisa

Da wandern sie beide. Sie lösen einander ab. Eine kommt herauf, die andere geht hinunter. Sie haben einen Zeitplan ausgemacht, wann jede bei mir heulen darf. Jede wartet sittsam, bis sie dran ist. Und ich hänge neben Jesus. Ich such ihn übrigens von seiner fleischfressenden Diät abzubringen, aber er sagt, die stehe nur in seinem Umschlagtext.
„Also, Herr Jesus, was soll ich mit meinen beiden Weibern anfangen? Welche der zwei Engelinnen würdest du behalten, die zu meiner Rechten oder die zu meiner Linken?“ –
Aber Jesus schweigt. Dieser Mann am Kreuz ist ein Schalk. Er verbirgt seine wahre Natur hinter seiner Schmerzensrolle, das genaue Gegenteil von mir, der ich meine Seelennot mit Späßen zu tarnen suche.
Taiko lächelt. Porzellan.
Jetzt erklärt uns die Verkäuferin im Geschirrgeschäft, wo wir uns inzwischen befinden – an der Uni wird eben eine Diss vergeben: „Das Konstanz-Gefühl – Sein oder Existenz?“ -, bone china heiße Knochenporzellan.
Taiko ist von Konstanz begeistert. Die Leute sind hier so anders. Nicht so vage, verschlafen oder verkorkst wie bei uns.
„Alles klar!“ schreie ich zur Probe mal über den Bodensee. Aber man schaut mich nicht einmal vorwurfsvoll an. Taiko erlebt die Schweiz wie ich: als einen Knast. Wir entknasten uns ständig in Konstanz wo man ein gewisses Etwas erlangt, den Hauch von Deutschland …
Mir bleibt jetzt noch eine knappe Stunde, bis ich mich entscheiden muss, mit welcher ich den Abend verbringe. Am Kreuz! Schon kommt Lisa mit ihrem Esskorb die Lorenbergwiese hinauf. Sie winkt mir von weitem , strahlt. Sie findet es prima, dass ich am Kreuz hänge, denn so kann ich wenigstens nicht mit Taiko wegfahren. Sie bringt Lachs mit, und an einem Besenstiel hat sie einen Teller und Glas festgemacht. So füttert sie mich. Wir haben einige herrliche Momente. Jesus schweigt nebenan. Die Nägel machen ihm doch zu schaffen. – Verdammt! Jetzt kommt Taiko. Sie bringt mir Patisserie, setzt sich einfach neben Lisa und fragt sie, ob sie ihren Besenstiel auch mal benützen dürfe, um mir ein Stück Kuchen raufzureichen.
Das ist die Höhe! Lisa packt ihre Sachen zusammen. Vergeblich bitte ich sie zu bleiben. Sie fragt den Herrn Jesus um Rat, aber der murrt nur trocken, über diese Situation stehe nichts in der Bibel.
Das ist hart für Lisa, die über die Wiese hinunterzieht. Ihr Gesicht krampft sich zusammen. Die Bitterkeit! Da schaut sich Jesus mit seinen gebrochenen Augen um, ob ihn niemand hört, und sagt plötzlich: „Einer wie du braucht zwei Frauen!“
„Aber das ist ja die Erlösung! Das Heil, auf das wir so lange gewartet haben, das Wort! Sie erbringen doch noch den Beweis, dass Sie der Messias sind! Halleluja, Herr Nachbar, vielen Dank!“
Wenn Jesus vor seinem Schmerzenstod doch noch schnell die Doppelehe proklamieren würde! Aber er schweigt, sagt nicht einmal:
„Vertragt euch!“
Mein Leben ist makaber. Ich werde von zweien gejagt, die hinter nur einem Glück herjagen. Etwas Indian Quinine Water gegen dieses Tropenfieber!